Tschüß, See!

Veröffentlicht: 9. November 2014 in Allgemein
Suchbild - finde den Fehler.

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Das Wochenende war bis jetzt eher unspektakulär. Vielleicht passiert ja noch was Aufregendes, aber ich wage es mal zu bezweifeln. Samstag war Schwedischer Archivtag und ich musste arbeiten. Meine Aufgabe bestand darin, mir einen Vortrag anzuhören, bei einer Führung mitzulaufen und aufzupassen, dass alle artig sind und niemand verloren geht. Da alle artig waren und niemand verloren ging, hatte ich sehr wenig zu tun.

Angesichts dessen, dass mich der deutsche Alltag bald wieder hat und mich warmherzig mit ein paar Klausurnachschreibeterminen empfangen wird, habe ich den Rest des Wochenendes hauptsächlich damit verbracht, mir verpassten Stoff zu besorgen und schon mal mit der Lernerei zu beginnen.

Bei dem Gedanken daran, dass das heute mein letzter Ausflug zum See gewesen sein könnte (der auch noch durch die Anwesenheit von Wirtschaftslehre-Lernmaterial überschattet wurde), war mir für einen Augenblick doch ein wenig wehmütig zumute. Aber nur kurz. Die Vorfreude auf Zuhause und die Lieblingsmenschen dort ist viel größer. 🙂

Spiderman vs. Hygrometer

Veröffentlicht: 9. November 2014 in Allgemein

Die vorletzte Praktikumswoche war ziemlich kurios, also im positiven Sinne. Bis Mittwoch habe ich auf der Suche nach Nachlassverzeichnissen wieder das Magazin auf den Kopf gestellt und zwischendurch an dem Vortrag weitergebastelt.

Donnerstags durfte ich dann in die Restaurierung: Hatte bereits mehrmals darum gebeten und diese Woche endlich mal grünes Licht bekommen. Da es hier auch viele alte Archivalien gibt und mir im Magazin schon öfter halb zu Staub zerfallene Bücher über den Weg gelaufen sind, habe ich irgendwie Interesse an Schadensbildern gefunden. Und auch weil die beiden Kolleginnen, die in der Werkstatt arbeiten total cool sind.

Die haben den Laden hier richtig gut unter Kontrolle und passen auf wie die Schießhunde, dass alles archivgerecht behandelt und aufbewahrt wird. Die Akten zur Nachtruhe im Büro zurückzulassen ist streng verboten. Es gibt auf jeder Büroetage kleine Zwischenlager mit einem zumindest halbwegs vertretbaren Klima, in denen die Akten, Bücher und was sonst noch so anfällt, die Nacht verbringen dürfen. Es wagt auch niemand, eine ganze Wagenladung mit Aktenmaterial auf einmal in sein Büro zu karren. Die schwedischen Eichhörnchen ernähren sich mühsam, aber archivgerecht.

Jedenfalls sind die Schadensbilder hier ziemlich die gleichen. Aber die haben sehr viel mit Silberfischen (meine Vermieterin hält sich die übrigens als Haustiere) zu kämpfen. Die fressen sich so richtig schön satt an dem Papier und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Ich frage mich, wie so ein kleines Etwas es schafft, fast ein komplettes Buch zu vernichten. Und das einzige, das man dagegen tun kann, ist für ein angemessenes Klima zu sorgen, obwohl die eine Silberfischsorte sich auch von kalter und einigermassen trockener Luft nicht abschrecken lässt.

Aber Gift kommt ja zum Schutz vor Mensch und Archival auch nicht in Frage, also ist man der robusten Ungezieferart momentan hilflos ausgeliefert.

Wie bei uns gibt es hier an jeder Ecke Hygrometer, damit den beiden Kontrollfreaks nicht die kleinste Veränderung von Luftfeuchtigkeit und Temperatur entgeht. Aber die haben sich auch noch was anderes einfallen lassen, um das Klima langfristig auswerten zu können. Und zwar werden hier regelmässig Insektenfallen aufgestellt. Aber nicht, um die Viecher loszuwerden, sondern für das Klimaprotokoll des Magazins. Das Prinzip ist ganz einfach: Viele Insekten = schlechtes Klima, wenige Insekten = gutes Klima. Da brennt einem dann natürlich die Frage unter den Nägeln, was das Ganze soll, wenn es doch die Hygrometer gibt. Zwischen den Zeilen der Antwort meine ich herausgehört zu haben, dass es sich auch um eine Art inoffizielle, naturwissenschaftliche Studie über die Lebensbedingungen der schädlichen Magazinbewohner handelt. So richtig kapiert hab ich das noch nicht, aber wollte die beiden auch nicht in Verlegenheit bringen mit ihren komischen Experimenten.

Zum Schluss erzählte mir Sara, die Chefin der Werkstatt, noch von einem Zeitungsartikel über das heutige Mauerfalljubiläum, den sie gelesen hatte. Der lag dann Freitagfrüh auf meinem Schreibtisch und wartet nun darauf, übersetzt zu werden. Ist ja nicht gerade unspannend, was im Ausland so über die Heimat berichtet wird.

Eine andere Kollegin, Ann-Christin, mit der ich oft zusammen Lesesaalaufsicht hatte, hat mir erzählt, dass unsere Länder bis zum Zweiten Weltkrieg ein Herz und eine Seele waren und es dann nach der kriegsbedingten Trennung nochmal miteinander versucht haben. Dass es plötzlich zwei Deutschlands gab, hat die Schweden damals auch ganz schön beschäftigt. An die Berichterstattung über den Mauerbau konnte sich Ann-Christin auch noch erinnern. Die klang offenbar ungefähr so: „Erst Hitler und nun sowas, jetzt sind die Deutschen völlig verrückt geworden.“

Freitagnachmittag hatte ich noch einen Termin bei Roland, dem IT-Experten. Der ist auch schon etwas älter. Sein Bruder Lennart hat Anfang der 60er Jahre in Lübeck gearbeitet und war auch mal in Berlin unterwegs. wo er Fotos vom Bau der Mauer und alliierten Soldaten gemacht hat. Roland hat mir einige dieser Fotos gezeigt. Hätte ich ja nie mit gerechnet, dass mir ein Schwede mal was über den Mauerbau erzählt. Irgendwie ironisch, aber sehr beeindruckend.

Heute war komisch. Habe den Alarm ausgelöst. Also auf der Arbeit. Bin ganz normal um 08.10 Uhr dort angekommen. Schien auch fast alles wie immer zu sein. Abgesehen davon, dass im Foyer wie sonst üblich kein Licht brannte (sieht man schon von außen, da verglast). Hab es dann mit Türöffner und Code bis in den Flur geschafft. Trotz mehrmaliger und definitiv auch richtiger Codeeingabe in Kombination mit dem Türöffner machte die Tür zum Foyer, von wo aus man dann mit dem Fahrstuhl zu den Büros kommt, keine Anstalten sich zu öffnen. Frech. Am anderen Ende des Flurs gibt es noch eine Tür. Da die eh nur von innen aufgeht, kann man die auch ganz einfach ohne Faxen bedienen. Leider führt die aber nur zum Innenhof. Dort dann weiter zur nächsten Tür, deren Betreten wieder Türöffner plus Pin erfordert. Ein Klicken dieser Tür signalisierte mir, dass sie den Code akzeptiert und entschieden hat, sich von mir öffnen zu lassen. Hat auch prima funktioniert. Aber das in diesem Moment aufsteigende Erfolgsgefühl wurde sofort wieder im Keim erstickt. Denn sowie ich das Gebäude betreten hatte, ging der Krach los. Erst eine, dann die zweite und schließlich auch noch eine dritte Alarmsirene. Für den Fall, dass die beiden anderen nicht ausreichen, eine Trommelfellexplosion beim Eindringling auszulösen.

Mh, Tür kaputt? Technik und ich sind zwar keine guten Freunde aber zumindest heute war ich mir sicher, alles richtig gemacht zu haben. Sogar eine Verwirrtheit bezüglich der Wochentage zog ich in Betracht. Ist heut etwa schon Samstag? Nee kann nicht sein wenn gestern Donnerstag war. Bin dann voller Pflichtbewusstsein trotzdem erstmal alle Büroetagen abgelaufen. Kann ja nicht einfach die Arbeit schwänzen. Aber es bot sich überall das gleiche Bild – in Dunkelheit liegende Menschenleere. Gruselig. War ich wohl die einzige, die heut vorhatte, zu arbeiten. Also wieder runter, mittlerweile schon halb taub und völlig verstört von den Sirenen.

Zurück im Innenhof hatten sich dort bereits einige neugierige Personen aus den umliegenden Gebäuden versammelt, die mich misstrauisch anstarrten. Kam mir vor wie ein Terrorist. Habe dann versucht zu erklären, dass ich da arbeite und noch kurz gewartet, ob Polizei oder Wachschutz auftauchen. War mir dann aber zu blöd, weil die Leute keine Anstalten machten, den Hof zu verlassen oder wenigstens das Anstarren zu unterbinden. Also erstmal weg da und zurück ins Hotel (da wohne ich gerade weil die Familie zu Besuch ist). Auf der Rückfahrt fiel mir dann auch auf, dass die Bahn außergewöhnlich leer war. Das hatte ich auf der Hintour durch die Vertiefung in ein neues Buch gar nicht wahrgenommen. Feiertag vielleicht? Aber nee, da hätten mir die Kollegen doch sicher Bescheid gesagt. Habe ja mit meinem Chef gestern noch vereinbart, dass ich ihn  heute aufsuche, um den Plan für nächste Woche zu besprechen. Außerdem hatte ich mich vor dem Praktikum vergeblich über evtl. Feiertage in der Arbeitszeit informiert. Von einer Mitarbeiterin des Hotels erfuhr ich dann allerdings, dass Samstag ein Feiertag ist aber heute präventiv auch schon einige Geschäfte und Firmen geschlossen bleiben. Aha. Gut zu wissen.

Um mein schlechtes Gewissen wegen Einbruch in eine staatliche Behörde und Arbeitsverweigerung zu beruhigen, habe ich versucht meinen Chef zu kontaktieren, allerdings ohne Erfolg. Daraufhin fiel mir die Entscheidung, den Tag als legal frei zu betrachten und die Zeit mit der Familie zu genießen, auch nicht schwer. Klar, hab mich gefreut über den unverhofften Urlaubstag. Aber mit Ausschlafen und ohne Hausfriedensbruch wäre das noch viel schöner gewesen. Falls es sich um einen Halloweenscherz gehandelt haben sollte, würde ich den mal als höchstgradig missraten bezeichnen.

Der Elch ist vom Tisch!

Veröffentlicht: 26. Oktober 2014 in Allgemein

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Die Glückssträhne mit dem hervorragenden Wochenendwetter scheint nun endgültig vorbei zu sein. Gestern hat es bis zum späten Nachmittag Katzen und Hunde geregnet, sodass ich dann erst abends los bin. Hab mich völlig ziellos in eine Straßenbahn gesetzt und bin bis zur Endhaltestelle gefahren, weil ich mal was sehen wollte, das ich noch nicht kannte. Seitdem kommt mir die Stadt ganz schön klein vor. Bin irgendwo am Gesäß der Welt ausgestiegen und immer am Fluss lang zurück in Richtung Zentrum gelaufen, ist dann zu einer Art Brückentour geworden. Zwei Stunden später war ich schon am Hafen. Hat sich aber trotzdem gelohnt, weil ich ein echt schönes Stadtviertel mit vielen alten Häusern und niedlichen kleinen Läden entdeckt habe.

Heute war das Wetter noch viel grauenhafter als gestern. Hinterhältigerweise sah es aber morgens total freundlich draußen aus. Also stand der geplanten Tour nach Slottskogen, einem riesigen Park mit Wald, Grünflächen und Seen, scheinbar nichts im Wege. Dort angekommen wurde es innerhalb weniger Minuten allerdings zusehends dunkel und es dauerte nicht lange bis ein Wolkenbruch über mich und die anderen Parkbesucher herfiel. Binnen Sekunden waren alle klatschnass bis auf die Knochen. Aber nen Rückzieher wollte ich nicht machen. Wenn man schon mal da ist… Habe ich auch nicht bereut.

Ich wusste zwar, dass es dort einen kleinen Tierpark gibt, aber als da plötzlich ein Gehege mit echten Elchen auftauchte, war ich erstmal sprachlos. Hätte nicht mit gerechnet, hier noch welche zu Gesicht zu bekommen. Einige Kollegen hatten mir ans Herz gelegt, unbedingt mal so einen Elch zu kosten, weil das Fleisch total lecker sein soll. Obwohl ich zunächst einigermaßen schockiert darüber war, dass die hier ihre Wahrzeichen aufessen, hatten sie mich dann mittlerweile fast schon soweit. Aber nachdem ich heute die Elchmama beim Kuscheln mit ihrem Baby gesehen habe, ist mir der Appetit vergangen. Das Elchgericht ist ein für alle Mal vom Tisch!

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Wäre zwar gern noch viel länger in dem Park geblieben, aber durch die nassen Klamotten war ich so durchgefroren, dass ich nur noch nach Hause wollte. Außerdem habe ich dieses Wochenende sturmfrei, das muss genossen werden. Meine merkwürdige Vermieterin ist auf der Suche nach sich selbst in einem mehrtägigen Kurs über das Denken gelandet. Ich hoffe es dauert noch eine Weile, bis sie sich gefunden hat. Denn in Zeiten ihrer Anwesenheit tun sich hier was Ordnung, Sauberkeit und eigentlich auch jegliches normales menschliches Verhalten angeht, wahrlich Abgründe auf. Manchmal erinnert sie mich an Protagonisten in Psychofilmen, wie sie nachts hin und wieder auf 3sat o. Ä. zu sehen sind. Hatte auch schon des Öfteren Umzugsgedanken, aber nee, das wäre zu viel Stress und vor allem jetzt lohnt sich das eh nicht mehr. Die restlichen paar Tage vergehen bestimmt auch wie im Flug! 🙂

Achso, mein Chef ist Freitag doch noch aufgetaucht. Zwar immer noch ohne Plan, aber dafür mit ein paar vagen Ideen, was ich denn nächste Woche vielleicht eventuell so tun könnte. Nun ja, ich bin gespannt.

Und sonst so?

Veröffentlicht: 19. Oktober 2014 in Allgemein

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Noch ganz kurz zu den sonstigen Aktivitäten der letzten Tage und Wochen:

Menschen am Meer

Letztes Wochenende war Besuch aus Deutschland da und ich habe endlich mal das Meer gesehen. Mit dem Bus ging es  zur Marina nach Saltholmen. Von dort aus fahren ziemlich viele Fähren zu den nahe gelegen Inseln. Aber angesichts der einladenden Kletterfelsen zogen wir es vor, an Land zu bleiben und uns die Inseln lieber aus der Ferne anzusehen. Also rauf auf die Klippen. Hat richtig Spaß gemacht und die Aussicht war unschlagbar!

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Botanischer Garten

Mal wieder viel zu viele Menschen da gewesen. Diverse frisch vermählte Paare waren offenbar der Meinung, mit ihren um die 70 Mann starken Hochzeitsgesellschaften ein wenig die Ruhe und die auf den Wiesen sitzenden Personen stören zu müssen. Die zunächst vielversprechend aussehenden Grünflächen wurden leider kurzerhand als Fotoatelier und Filmstudio missbraucht. Kaum hatten die ungebetenen Gäste ihre beängstigend großen Kameras ausgepackt und aufgestellt (natürlich so, dass auch sämtliche Zivilpersonen unfreiwillig zum Beiwerk des Hochzeitsvideos wurden), machte sich jeder, der kürzlich keinen Ringwechsel vollzogen hatte (inklusive mir versteht sich), aus dem Staub. Schade eigentlich, der Ort als solcher ist definitiv nicht zu verachten.

Goldstaub im Getränk?

Freitag war ich mit nem Kollegen in einem Pub. Da gab es so ein Angebot, vier verschiedene regionale Biersorten zu probieren, um herauszufinden, welche einem zusagt. Sehr verlockend, wenn man keine Ahnung von den hiesigen Geschmacksrichtungen hat, eine wunderbare Idee. Nur wenn diese vier Finkennäpfe à wenn überhaupt 150 ml Flüssigkeit dann 22 € kosten und nicht mal besonders… naja, ich sag mal so, die schwedischen Autos sind besser als das Bier…, läuft da irgendetwas gewaltig schief.

Bier

Wie ein deutscher April

Veröffentlicht: 19. Oktober 2014 in Allgemein
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Das Wetter ist ja ein international recht beliebtes Gesprächsthema. Deshalb wundere ich mich auch nicht darüber, wenn sich die erste Frage im Zuge der Heimatkorrespondenz oftmals auf das nordische Klima bezieht. Beinahe besorgt wurde ich mittlerweile mehrmals gefragt, wie ich denn so mit der Dunkelheit klarkäme. Und mit den kalten Temperaturen.

Um das mal kurz aufzuklären: Auch zu meiner eigenen Überraschung ist es hier teilweise noch verdammt warm. Vorletzten Samstag war ich ohne Jacke und mit T-Shirt unterwegs. Als ich tags darauf auf einem Steg an meinem Lieblingssee saß, habe ich sogar einige badende Menschen gesehen (Verrückte, eindeutig) und es in einem Anflug von Übermut auch gewagt, kurz mit den Beinen im Wasser zu baumeln. Verdammt kalt war’s. Zumindest außerhalb des Sees ist es aber eigentlich ganz gemütlich, was die Temperaturen angeht, jedenfalls an den Wochenenden. Darauf war bis jetzt immer Verlass. So musste auch der geplante Streifzug durch die Museen der Stadt ständig aufgeschoben werden, weil es draußen einfach viel zu schön war.
Unter der Woche sieht das dann schon anders aus. Das Wetter ist von Montag bis Freitag unberechenbar. An manchen Tagen ist von Sonne, Hagel, Wolkenbruch, Gewitter, Regenbogen und Sturm alles dabei. Erinnert mich manchmal etwas an den April in Deutschland.
Mittlerweile ist es morgens auch schon leicht frostig. Aber viel kälter als zuhause wird es hier sowieso nicht und schon gar nicht früher dunkel, da Göteborg im Südwesten Schwedens liegt. Die extremen Lichtverhältnisse gibt es nur im Norden. In Lappland zum Beispiel, guck ich mir dann vielleicht nächstes Jahr mal an. 🙂

Datenschutz? Wer ist das und wenn ja wie viele?

Veröffentlicht: 13. Oktober 2014 in Allgemein

Hier nun etwas verspätet der Bericht zur vergangenen Woche. Erstmal Neuigkeiten aus dem Berufsleben, Einblicke in die Freizeitgestaltung folgen dann zeitnah.

Die Faszination, die ich zu Beginn des Praktikums angesichts der schwedischen Transparenz und der exzessivst ausgelebten Informationsfreiheit empfunden habe, ist in den letzten Arbeitstagen dem blanken Entsetzen ueber einige Dinge, die in diesem Land so vor sich gehen, gewichen. Denn ich durfte nun auch die Schattenseiten dieser radikal gläsernen Gesellschaft kennenlernen. Datenschutz wird nämlich mal so richtig kleingeschrieben, ist eigentlich kaum existent.

Alles begann relativ harmlos am Dienstag, als ich erstmals der Abteilung Auskunft und Nutzung zugeteilt war. Zunächst durfte ich gemeinsam mit der Expertin fuer polizeiliche Ermittlungen eine Recherche durchfuehren, um noch lebende Angehörige einer kuerzlich in Göteborg verstorbenen Person ausfindig zu machen, damit diese sich um Beerdigung etc. kuemmern und evtl. sogar noch ein paar Kronen erben können. Dann ging es relativ unverfänglich weiter mit Steuerunterlagen, Grundstuecksakten, Nutzungsrechten und weiteren aufregenden Themen dieser Art. Erstmals schmunzeln musste ich dann, als die Nachlässe auf der Tagesordnung standen. Denn jeder x-beliebige Mensch hat hier das Recht auf Einsicht in die Nachlassverzeichnisse anderer x-beliebiger Menschen, unabhängig von einer Verwandtschaft und ohne Angabe von Gruenden oder der eigenen Identität.

Am Donnerstag erhielt ich dann einen Einblick in die Arbeit mit den strafrechtlich relevanten Unterlagen wie Gefängnis- und Gerichtsakten und Strafregister der Kirchgemeinden. Das war eine sehr spannende Angelegenheit, da mir die verantwortliche Kollegin einige Beispielfälle von sechzehnhundert Fruehling zeigte. Typisch fuer diese Zeit sind Verurteilungen von Frauen, die aus Versehen in andere Umstände geraten waren und ihre Neugeborenen umgebracht haben, da sie mit einem unehelichen Kind in der Gesellschaft nichts mehr zu lachen gehäbt hätten. Sie wurden dann meistens geköpft und sind dann sicherheitshalber anschliessend auch noch auf dem Scheiterhaufen gelandet. Man kann ja nie wissen… Im Landesarchiv Göteborg befinden sich auch die Unterlagen zu einer hier ziemlich legendären Prostituierten. Es handelt sich um Elisabeth Olafsdottir, auch liebevoll Longlis genannt, die ihre Beruehmtheit dadurch erlangt hat, dass sie auf einer Englandreise von Jack the Ripper umgebracht wurde. So viel dazu.

Dann stand „Fordon“, also Fahrzeuge auf meinem Plan. Zunächst konnte ich nicht so recht nachvollziehen, warum Autos, Motorräder, Lkw und Traktoren in der Auskunftsabteilung eines Archivs ueberhaupt relevant sind. Helena, eher Kfz-Expertin als Archivarin, hat mir das dann aber versucht zu erklären. Genau wie Angehörige von Verstorbenen werden hier auch Halter und andere Details von und zu Fahrzeugen ermittelt. Nur mit dem Unterschied, dass diese Informationen nicht nur fuer die Polizei, sondern fuer jeden zugänglich sind. Sogar von zuhause aus und ohne relevanten Grund. Dazu gibt es mehrere archivinterne Datenbanken, aber auch eine öffentlich zugängliche Internetseite (www.transportstyrelsen.se), auf der man nach Lust und Laune Nummernschilder in ein Suchfenster hämmern und in Sekundenschnelle von Farbe ueber Leistung, Baujahr, Anzahl der zum Fuehren des Fahrzeugs berechtigten Personen, bis hin zu anstehenden TÜV-Terminen alle möglichen Daten herausfinden kann. Und der Halter? Auch kein Problem. Einfach die angegebene Servicehotline anrufen, der Roboterstimme das Kennzeichen durchgeben und prompt bekommt man die gewuenschte Auskunft und die Adresse noch gratis oben drauf. Hat mir Helena auch gleich demonstriert, weil ich erst dachte, dass sie Spässe mit mir macht. Weil sie sichtlich Freude an meiner Verwirrtheit hatte, hat sie mir dann gleich noch eine verrueckte Internetseite (www.upplysning.se) gezeigt. Hier kann sich jeder ueber Adresse, Geburtsdatum und -ort, Familienstand von Freund und Feind informieren. Weitere Auskuenfte, wie z.B. Angaben zum Einkommen sind dann allerdings nur durch kostenpflichtige Anmeldung möglich. Na immerhin.

Dieser inflationäre Export der eigenen Daten ist fuer die Leute auch völlig normal, das juckt die kein bisschen hab ich den Eindruck. Vielleicht liegt es an den mittlerweile ueber zwei BStU- bzw. OSZ-Jahren, in denen ich täglich mit Schweigepflicht, Datenschutz, Informationeller Selbstbestimmung und Co. gequält wurde, dass ich da etwas sensibel reagiere. Aber eigentlich geht es doch den meisten Menschen in Deutschland so, dass sie sehr darauf achten, wer wie viel ueber sie weiss und in Erfahrung bringen kann. Oder?

Von Schiffen, Straßenbahnen und Vorurteilen

Veröffentlicht: 3. Oktober 2014 in Allgemein

Was sonst noch so los war diese Woche: Heute war ich erst kurz nach 18 Uhr zuhause. Und das an einem Freitag, an dem in der Heimat auch noch fast jeder frei hatte, aber was interessiert die Schweden die deutsche Einheit. Könnte man ruhig mal internationalisieren diesen Feiertag, wo doch eh so gern alles globalisiert wird. Na jedenfalls hat die Straßenbahn vorhin mal wieder den Geist aufgegeben, was auch kein Wunder ist bei den Steinzeitmodellen, die sich hier teilweise noch mit letzter Kraft die Straßen langschleppen. Beim ersten Anblick dieser Gefährte hab ich mich gewundert, dass die sogar schon mit Strom funktionieren und nicht mit Kohlen oder nem Hamsterrudel in einem großen Laufrad. Es gibt sogar noch diese alten Seile an beiden Seiten, wo man dran ziehen kann, um dem Fahrer ein Zeichen zu geben, dass man an der nächsten Haltestelle gern aussteigen möchte. Und da wurde ich doch tatsächlich belächelt, als ich mich begeistert von den hier vorhandenen digitalen Fahrscheinen in Form einer Plastikkarte gezeigt und erzählt habe, dass es in Deutschland noch Tickets und Monatskarten aus echtem Papier gibt. Aber lieber Karten aus Papier als Straßenbahnen, die in einem Museum nützlicher wären, als im Straßenverker. Zum zweiten Mal in dieser Woche musste ich heute nämlich mehrmals umsteigen, weil die Bahn mit der ich zuerst gefahren bin, kaputt ging. Die Ersatzbahn hat dann ganze zwei Haltestellen durchgehalten bevor der Fahrer über Lautsprecher wieder mitteilte, dass bitte alle aussteigen und auf die Ersatzbahn für die Ersatzbahn warten sollen. Die kam dann auch irgendwann und hat es tatsächlich bis zur Endstation geschafft, hurra.

Positiv beeindruckt war ich allerdings von der Fahrkartenkontrolle, in die ich heute Früh geraten bin. Obwohl es sogar auf der Jacke des überaus freundlichen und erschreckend normal aussehenden Kontrolleurs stand, konnte ich zunächst nicht glauben, dass er dieser Berufsgruppe angehört. Ist vielleicht auch kein Wunder, wenn man sich nach durch die ständige Pendelei nach Berlin an die dortigen Gestalten gewöhnt hat, von denen doch einige aussehen, als ob sie aus Versehen von einer Hantelbank ihres Fitnessstudios direkt in die U-Bahn gepurzelt wären und die dann wie Möchtegern-SEK-Männer in das Abteil stürmen, sichern und ausschwärmen und man sich erstmal fragt, ob man jetzt gerade in einen Terroranschlag verwickelt wird, bis man dann endlich mitkriegt, wie sie jemanden nach dem Fahrschein fragen.

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Letztes Wochenende habe ich mich am Hafen rumgetrieben. Den muss man echtmal gesehen haben. Vor allem abends. Eigentlich nur abends. Tagsüber sieht es da nicht sooo schön aus, weil einige Gebäude ein wenig an Industriebrachen erinnern. Aber in der Dämmerung, wenn nur noch die ansehnlichen Bauwerke wie die Oper, das Bürohochhaus und das Kasino und die Schiffe beleuchtet werden, ist es da echt schick. Und ganz schön windig.

Der Hafen heißt Lilla Bommen und wird auch als Tor zu den Weltmeeren bezeichnet. Er verbindet Schweden mit Dänemark und Deutschland und ist einer der bedeutendsten Häfen in Skandinavien.

Zum Abschluss noch eine kleine Anekdote passend zum Tag der Deutschen Einheit: Als ich die Tage Mittagessen war, saß am Nebentisch eine Landsmännin, die sich auf Deutsch mit einem Schweden unterhalten hat, der die Sprache ebenfalls ein bisschen beherrschte. Und als sie auf dem Weg nach draußen an mir vorbeigehen, hör ich wie sie so zu ihm sagt: „Ja, ich hab Rücken, das ist so ne Redewendung in Westdeutschland. Die aus dem Osten kennen den Spruch aber nicht.“ Ein Anflug von Zorn. Habe es aber bei einem Blick belassen und mich dazu entschlossen, sie nicht darauf hinzuweisen, dass die Grenze seit ein paar Jahren wieder offen ist und auch die Menschen im Gebiet der ehemaligen DDR durchaus zwei, drei Vokabeln beherrschen. Schönes Wochenende.

Wer zuletzt lacht…

Veröffentlicht: 3. Oktober 2014 in Allgemein

Heute hatten wir Arbeitsberatung. Die findet wohl jede Woche statt, ist aber letzten Freitag wegen der Buchmesse ausgefallen. Im Moment bin ich mal wieder komplett beeindruckt von der hier herrschenden Arbeitsatmosphäre. Es gibt keine Hierarchien. Zumindest sieht man nichts davon. Alle reden sich mit „Du“ oder dem Vornamen an. Auch Ulf, Landesarchivar und Chef des Hauses wird geduzt. Die Raumpflegerinnen und Facilitymanager nehmen ebenfalls an den Beratungen teil. Die Versammlungen finden im Pausenraum statt, der mit Tresen, Barhockern, runden Tischen und Weinkaraffen (die uebrigens leer waren, nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht) eher an eine Bar erinnert.

Ich wurde den Kollegen, die mich bis dahin noch nicht kannten, vorgestellt und bekam die Gelegenheit, selbst noch ein paar Dinge ueber mich, die Ausbildung beim BStU und meine aktuellen Aufgaben im Göteborger Landesarchiv zu erzählen. Derzeit arbeite ich an der Uebersetzung eines Flyers ueber Genealogie ins Deutsche, die dann auf der Internetseite des Riksarkivets veröffentlicht werden soll. Montag war ich mit Karl (mein Ansprechpartner während des Praktikums) auf Hisingen, um mir dort die Zweigstelle des Archivs anzusehen. Hier befindet sich der Grossteil des Archivguts, da im Hauptquartier nicht genug Platz ist. Aber auch im Magazin auf Hisingen wird es langsam eng, sodass gerade intensiv nach einer Lösung gesucht wird. Eine Idee ist z.B. die Kooperation mit dem Stadtmuseum, weil dort noch etwas Freiraum ist.

Nach meinem kurzen Monolog ging es dann auf Schwedisch weiter. Es wurde viel gelacht. Ich selbst habe zwar nur wenige Worte verstanden, aber meine Sitznachbarin hat immer fleissig ins Englische uebersetzt. So sind die meisten Informationen dann auch bei mir angekommen. Zwar mit ein wenig Verzögerung aber naja, wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Wald und Wasser – fast wie in Branne.

Veröffentlicht: 28. September 2014 in Allgemein

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Bei einer Wanderung durch einen bislang unbekannten Wald habe ich gestern einen neuen See entdeckt. Auf den ersten Blick ein beschauliches, friedliches Fleckchen Erde fernab von Lärm und Hektik. Dachte ich. Es dauerte nicht lange, da wurde ich plötzlich unfreiwillig Teil einer walkenden Kolonne einheimischer Rentner. Als sie den Überholvorgang nach einigen Minuten endlich abgeschlossen hatten und es wieder etwas ruhiger wurde, näherten sich allerdings schon die nächsten Störenfriede. Ein Jogger jagte den nächsten. Ganz zu schweigen von den Rennrad- und Rollskifahrern, die scheinbar versuchten, die Schallmauer zu durchbrechen. Aber jeder hat wohl seine eigenen Methoden abzuschalten.

Auf dem Rückweg in die Stadt bin ich übrigens weniger Menschen begegnet als in diesem überfrequentierten Stück Natur. Vielleicht setze ich mich nächstes Mal einfach in eine Bushaltestelle, wenn ich an der frischen Luft meine Ruhe haben will.